MMP Experten-Blog:
Hat Corona den M&A-Markt verändert, Herr Dr. Bergau?

27. Oktober 2021


Der Beginn der Corona-Pandemie hat den M&A-Markt spätestens mit dem Beginn der ersten Lockdowns in der ersten Jahreshälfte 2020 in eine Schockstarre versetzt. Praktisch alle laufenden Transaktionen wurden gestoppt. Kaum jemand wagte eine Prognose der weiteren Marktentwicklung. Die Grundlage für die Ermittlung eines Kaufpreises erschien zu unsicher.

Der Einbruch blieb aber eine kurzfristige Episode. Der M&A-Markt ist zurück und übertrifft bereits das Niveau vor der Pandemie. Rational ist diese Trendwende nicht vollständig zu erklären. Trotz breiter Verfügbarkeit von Impfstoffen richten wir uns auf ein Leben mit dem Virus ein. Viele der damit bestehenden Unsicherheiten bleiben bestehen. Die Erwartung vieler, dass die Coronahilfen kurzfristig auslaufen und „Zombie“-Unternehmen zusammenbrechen, hat sich bisher nicht bewahrheitet. Wer auf günstige Gelegenheiten spekuliert hat, Unternehmen aus der Krise zu erwerben, wurde bisher meist enttäuscht. Viele erwarten aber weiterhin eine Welle von Distressed M&A-Situationen.

Auch wenn Zahl und Volumen von Transaktionen wieder mindestens ein bekanntes Niveau erreicht haben, hat die Pandemie nachhaltig die Art und Weise verändert, wie Transaktionen durchgeführt werden.

Wie überall hat die Pandemie auch im Transaktionsbereich der Digitalisierung ordentlich Schwung gegeben. Digitale Datenräume sind schon lange Marktstandard. Die Pandemie hat nun auch den letzten physischen Datenräumen mit staubigen Aktenordnern und trockenen Besprechungsbrötchen selbst bei kleineren Deals den Garaus gemacht.

Apropos Besprechungsbrötchen: Wie in allen anderen Bereichen des Wirtschaftslebens ersetzen Videokonferenzen die meisten Treffen, die wir uns bisher nur persönlich vorstellen konnten. Manches wird dadurch beschleunigt. Die Terminfindung ist einfacher geworden. Oft verlaufen Videokonferenzen disziplinierter und sind daher effizienter. Gleichzeitig erschwert fehlende persönliche Nähe den Aufbau von Vertrauen zwischen den Parteien. Manche Einigung gerade in schwierigen Verhandlungssituationen mag nur persönlich und nicht über den Bildschirm erzielt werden können. Wie auch immer – Videokonferenzen werden bleiben. Das richtige Verhältnis von digitalem und persönlichem Kontakt wird sich erst noch finden müssen.

Auch die Praxis der Vertragsgestaltung hat die Pandemie verändert. Risiken aus unmittelbaren Auswirkungen der Krise, wie Schließungen im Einzelhandel oder von Restaurants oder sogar von Betriebsstätten, kann der Käufer kaum auf den Verkäufer überwälzen. Konjunktur haben aber alle Regelungsbereiche, die die künftige wirtschaftliche Entwicklung abfedern sollen. Kurzfristig wirken Material Adverse Change- (MAC-) Klauseln, die bei wesentlichen Veränderungen zwischen signing und closing einen Rücktritt vom Kauf oder eine Reduzierung des Kaufpreises ermöglichen. Längere Zeiträume erfassen Earn Out–Mechanismen, die den Kaufpreis von der weiteren Entwicklung der Zielgesellschaft abhängig machen. Tendenziell sind Kaufverträge also komplexer geworden. Ob das immer sinnvoll ist, sollte im Einzelfall durchaus kritisch hinterfragt werden. Nicht selten schaffen komplexe Vertragsstrukturen mehr Risiken, als sie vermeiden sollen.

Der Ausblick also? Es bleibt alles anders.