Aktuelle Unternehmensbewertung:
Was ist meine Firma wert?

17. September 2020


Gerade in unsicheren Zeiten stellt sich für viele Mittelständler die Frage nach dem Wert des eigenen Unternehmens. Die Krise hat sich spürbar auf die Geschäftszahlen ausgewirkt und da denkt der eine oder andere dann schon darüber nach, ob er noch einmal ein paar Jahre investieren soll, um auf das alte Niveau zurückzukommen, oder ob vielleicht doch gerade jetzt auch ein guter Zeitpunkt wäre, das Unternehmen zu verkaufen.

Das bedeutet allerdings auch, Abschläge bei den zu erzielenden Preisen hinzunehmen. Doch was heisst das konkret? Um einen vereinfachten Blick zu bekommen, schauen wir kurz auf die gängigsten Bewertungsmethoden. Die beiden bedeutendsten Verfahren zur Ermittlung eines Unternehmenswertes sind einerseits die Branchenmultiples und andererseits die Discounted Cash Flow Methode. Letztere wollen wir hier ausser Acht lassen, da es sich um ein komplexeres Modell handelt, wozu es eine gewisse Expertise benötigt. Auf Basis der Multiples ergibt sich auch für Laien die Möglichkeit, zumindest eine grobe Idee über den Unternehmenswert zu bekommen. 

Bei den Branchenmultiples wird eine aktuelle Unternehmenskennzahl (Umsatz, EBITDA, EBIT) – in der Regel der letzte zeitlich verfügbare Abschluss – mit einem Faktor multipliziert. Die dann erhaltene Zahl spiegelt den Wert des Unternehmens wider, und zwar „Cash and debt free“, d.h. die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verbindlichkeiten müssen abgezogen und der Kassenbestand hinzugerechnet werden. 

Allerdings setzen die Multiples auf den verfügbaren Unternehmenszahlen auf. Selbst wenn 2019 der letzte vorliegende Abschluss ist, wird jeder Käufer auf die Zahlen 2020 warten bzw. diese hochrechnen. Damit schlägt sich das fehlende Ergebnis in dieser Bewertung voll nieder. Die Multiples selbst sind in den letzten Monaten zwar gefallen, doch zeigt sich aktuell wieder eine steigende Tendenz. Insgesamt ist die Situation deutlich besser als 2009, was aber auch an mangelnden Investitionsalternativen liegen könnte. Ebenfalls wird zukünftig ein noch stärkeres Gewicht auf der Planung liegen, selbst wenn hier natürlich die grössten Unsicherheiten herrschen. 

Blickt man auf die aktuellen Multiples so sind diese in den „Krisenbranchen“ Transport, Logistik, Tourismus, Fahrzeugbau sowie Bau und Handwerk zwischen 5 und 7 (EBIT) bzw. 0,35 bis 0,7 (Umsatz) anzusetzen, während in Bereichen wie Software, Telekommunikation und Pharma von Werten zwischen 7 und 10 (EBIT) sowie 1,2 bis 1,8 (Umsatz) ausgegangen werden kann. 

Gerade in den Krisenbranchen ist das zu den Boom-Jahren 2015 oder auch 2008 ein Rückgang von rund 30%. Wenn man jetzt noch eine schlechtere Zahlenbasis beim Umsatz/EBIT zu Grunde legt, hat sich hier bei vielen Unternehmen der Wert halbiert. Aber auch hier hilft kein Blick nach hinten sondern nach vorne: Der Unternehmer muss sich fragen, ob und wann er wieder in Lage ist, das Niveau der Vorjahre zu erreichen und ob er diesen Zeitraum noch aktiv mitgestalten möchte. 

In den Zukunftsbranchen ist das Ende des Anstiegs sicher noch nicht erreicht. Hier wird ein allgemeiner Anstieg der Konjunktur die ohnehin hohen Multiples nochmals beflügeln. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es aktuell wenig solcher Unternehmen auf dem Markt zum Verkauf gibt und die Bewertungen Biotech-Firmen, die mit der Entwicklung eines Coronaimpfstoffes befasst sind, zeigt diese Entwicklung. Allerdings wird es Rückschläge für die Unternehmen geben, die am Ende nicht erfolgreich damit sein werden, denn sie haben aktuell sehr viele Ressourcen in dieses Thema gebunden und damit andere Entwicklungen vernachlässigt.

Es ist an dieser Stelle schwierig, eine klare Wertaussage über einzelne Unternehmen zu treffen, da immer viele individuelle Kriterien berücksichtigt werden müssen. Aber eine einfache Anwendung der Multiples unter Berücksichtigung von Kassenbestand und Verbindlichkeiten gibt zumindest einen ersten Anhaltspunkt. Wichtig ist es, die realistisch und langfristig erreichbaren Zahlen zu verwenden. In einem Verkaufsprozess werden diese ohnehin einer genauen Prüfung und Hinterfragung Stand halten müssen. Hilfreich kann es sein, neben den vielleicht noch erfolgreichen Zahlen 2019 auch die Zahlen des Jahres 2020 einschliesslich realistischer Planung bis Jahresende zu nehmen, um eine Range zu bekommen, in der sich ein möglicher Kaufpreis bewegen kann.

Unsere Erfahrung der letzten Wochen zeigt zwar einen Rückgang an Transaktionen aber auch ein starkes Interesse an stabilen und profitablen Unternehmen, da der Markt hier leer ist und gerade bei vielen Finanzinvestoren ein hoher Anlagedruck herrscht. Somit lassen sich auch aktuell noch gute Preise erzielen, selbst wenn die Unternehmenszahlen und auch die Multiples einen Rückgang erlitten haben. Und auch bei Unternehmen, die die Krise stärker getroffen hat und daher bereits angelaufene Transaktionen verschoben wurden, laufen die Gespräche langsam wieder an.