MMP Experten-Blog:
Was ist ein Wirtschaftsprüfer-Testat heute überhaupt noch Wert? Von Martin Wambach

25. Januar 2021


Der Wirecard-Skandal hat eine heftige Diskussion über die Aufsicht und Kontrolle von Unternehmen ausgelöst, bei der auch die Arbeit von Wirtschaftsprüfern eine wichtige Rolle spielt. Das Ganze lässt sich auf die Frage, ob das Testat noch einen Wert hat, zuspitzen. Diese Frage lässt sich eindeutig beantworten. Das Testat hat unverändert seinen Wert und auf das Prüfungsurteil von Wirtschaftsprüfern kann man sich verlassen. Dafür gibt es gute Gründe.

In Deutschland werden pro Jahr etwa 25.000 Jahresabschlussprüfungen mit nachweislich hoher Qualität durchgeführt. In ganz wenigen Einzelfällen wird diese Qualität infrage gestellt. Häufig gehen diese wenigen Fälle mit hoher krimineller Energie einzelner handelnder Personen bzw. einem breiten Versagen von Kontrollstrukturen einher. 

Die Arbeit von Wirtschaftsprüfern fußt auf höchsten professionellen Standards. Diese betreffen den persönlichen, fachlichen und beruflichen Bereich gleichermaßen. Die Standards werden regelmäßig mit den wichtigen Stakeholdern entwickelt bzw. fortgeschrieben. Über die Standards hat sich eine weltweit einheitliche Prüfungspraxis entwickelt. Die Anwendung dieser Standards ist verbindlich geregelt und wird über verschiedene Instanzen regelmäßig überwacht. Fehlverhalten wird sanktioniert.

Wirtschaftsprüfer unterliegen als einer der wenigen Berufsstände einer gesetzlich verankerten umfangreichen Fortbildungsverpflichtung. Ohne nachgewiesene erfolgreich absolvierte Fortbildung darf der Beruf nicht ausgeübt werden.

Der Umfang, die Herangehensweise und Berichterstattung über die Jahresabschlussprüfung wurde in den letzten Jahren intensiv weiterentwickelt und stärker an den Erwartungen der Adressaten ausgerichtet. Den ehemals sehr kurzen, formelhaften Bestätigungsvermerk gibt es nicht mehr. Vielmehr ist der Abschlussprüfer aufgefordert, über die Vorgehensweise, den Inhalt und die Schwerpunkte der Prüfung sowie über sein Urteil ausführlich und unternehmensindividuell zu berichten. Regelmäßig gibt es heute Ergänzungen oder Hinweise im Bestätigungsvermerk, die für die Beurteilung des Unternehmens und seinen Entwicklungsperspektiven wertvolle Informationen beinhalten.

Die Digitalisierung der Unternehmen und damit der Einsatz von ERP-Systemen über die wesentlichen Geschäftsprozesse von Unternehmen, ermöglicht uns Wirtschaftsprüfern eine bessere, häufig lückenlose Prüfung von Geschäftsvorfällen. Die Unsicherheiten von Stichproben werden deutlich reduziert. Darüber hinaus werden heute bereits Prüfungsinstrumente mit Machine Learning und künstlicher Intelligenz genutzt. Damit lassen sich Auffälligkeiten besser identifizieren. 

Die Arbeit der Wirtschaftsprüfer lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Vertrauen! Wirtschaft braucht Vertrauen; gerade in turbulenten Zeiten ist Vertrauen für eine funktionierende Wirtschaft von elementarer Bedeutung. Mit der professionellen Jahresabschlussprüfung trägt der Wirtschaftsprüfer seit gut 80 Jahren zum Vertrauen in die finanzielle Berichterstattung bei und ist ein wesentlicher Bestandteil gelebter guter Corporate Governance. In der Rolle des Beraters oder Gutachters schafft der der Wirtschaftsprüfer Vertrauen bei vielen weiteren Anlässen in einem dynamischen Wirtschaftsumfeld. Beispielhaft seien hier  Unternehmensbewertungen, Accounting Advisory, IPO-Readiness, Transaktionen, Post Merger Integration, Interne Revision, Sanierung und Restrukturierung sowie Corporate Social Responsibilty erwähnt. 

Der Wirecard-Skandal muss aufgearbeitet werden; das gilt auch für die Rolle und Qualität der damit verbundenen Abschlussprüfung, um die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Nicht zielführend ist aufgrund dieses dramatischen Einzelfalls das bewährte System der Abschlussprüfung bzw. die Arbeitsweisen und Rahmenbedingungen für Wirtschaftsprüfer infrage zu stellen.